


Text: Nico Knappe
Foto: Max Schorch
Innsbruck, Oktober 2024
Franz ist ein Abenteurer - sein Motto: alles ausprobieren. Weder seine Lernschwäche noch das Aufwachsen im leistungsorientierten Umfeld brachten ihn von seinem individuellen Lebenskonzept ab.
Franz ist das, was man im Achtsamkeits-Sprech “präsent” nennen würde. Wenn er spricht, dann mit Emotion, spontan aus dem Bauch und voller Überzeugung. Er redet gerne und viel - was daran liegen mag, dass er mit seinen 25 Jahren schon einiges zu erzählen hat. Vor allem in den vergangenen drei Jahren lebt er in seinem individuellen Rhythmus: für etwa acht Monate im Jahr sucht er sich eine Arbeit - kündigt diese dann, um mit seiner Freundin Europa mit dem Zug zu erkunden. Abenteuer und die Lust auf Neues kommen für Franz vor einem routinierten Alltag. Diese Einstellung musste er sich aber erst aneignen. Denn aufgewachsen ist Franz in einem 700 Einwohner-Dorf in Vorarlberg. Die Idylle und die Sportmöglichkeiten haben ihm zwar gefallen, die Mentalität in Vorarlberg aber nicht. Er beschreibt das so: “Vorarlberg ist ein sehr wirtschaftlich- und leistungsgeprägtes Land. Entweder du arbeitest oder du bist nichts.” Ganz genau erinnert er sich noch an den Pensionisten, der ihn bei einer Wanderung zur Mittagszeit fragte: “Solltest du nicht am Schaffen sein?”.
Das Thema Leistung beschäftigt Franz schon seit der Schulzeit. Er tut sich vor allem mit Mathe schwer und schafft deswegen die Matura nicht. “Niederschmetternd” war das für ihn - Mathe sei sowieso für die meisten Berufe unwichtig. Zum Beispiel in der Pflege, wo Franz seine ersten Berufserfahrungen machte: erst beim Zivildienst - später bei Selbstbestimmt Leben. Harte Arbeit, die seinen Charakter aber geformt hat, wie er stolz erzählt.
Vielleicht sind 60 Stunden Arbeit pro Woche nicht das Einzige, was das Leben zu bieten hat.
Mit 19 Jahren bekommt er einen Posten bei einer Einzelhandelsfirma. Er verdient gut und arbeitet viel, oft mehrere Überstunden täglich. Bis nach zwei Jahren seine Freundin in sein Leben tritt und mit ihr das Hinterfragen des eigenen Lebenskonzepts. “Vielleicht sind 60 Stunden Arbeit pro Woche nicht das Einzige, was das Leben zu bieten hat.", ein Satz, der Franz hängen geblieben ist. Mit ihr an seiner Seite beginnt sein Lebenswandel - die beiden ziehen nach Innsbruck und werden inspiriert vom studentischen Flair der Stadt. Von hier aus starten die beiden ihre Reiseabenteuer - immer mit dem Zug und immer kostengünstig. Oft entscheiden die Vorschläge der Sparschiene über ihr Reiseziel. Der erste Trip ging nach Paris, später unter anderem Sizilien und Amsterdam, “obwohl wir beide nicht kiffen”, wie Franz erklärt. Vor allem vom Venedig-Wochenende im vergangenen Jahr erzählt Franz besonders begeistert: “Eigentlich ja nur einen Katzensprung entfernt.”
Im Moment arbeitet Franz bei DB Schenker in Hall, wo er im Lager Paletten fährt. Doch die nächsten Abenteuer sind bereits in Planung: “Es gibt einen Nachtzug Richtung Malmö, das würd mich total interessieren.”
Dass nicht alle die Möglichkeiten haben, mehrere Monate im Jahr unterwegs zu sein, ist Franz bewusst: “Ich weiß, dass ich in einer privilegierten Situation bin, weil ich im Notfall durch meine Familie abgesichert wäre.” Für alle, die die Möglichkeit haben, hat Franz aber einen eindeutigen Rat: “Ich denk mir: Geh mal drei Monate weg, setz dich einfach in den Zug. Auf was hast du Lust? Jeder hat irgendeinen Gedanken, wo er gerne mal hin möchte. Es gibt so viele gute Geschichten und so viele interessante Orte.”