Osama

Text: Katharina Wildauer

Fotos: Nico Hafele

Innsbruck

„Wir alle hören Musik, lesen und treffen Freunde“, sagt Osama. Was ihn ausmacht: sein Durchhaltevermögen.


Osama wollte immer Arzt werden. Dass will der heute 20-Jährige schon seit er sieben Jahre alt ist. Damals wohnte er noch in Syrien. 2013 muss er mit seiner Familie das Land verlassen, es geht nach Ägypten, später nach Österreich. Wenn Osama über seine Geschichte spricht, ist er nüchtern und ehrlich. Er weiß, dass er es im Leben bisher nicht einfach hatte.


In Innsbruck angekommen muss Osama erst Deutsch lernen, bevor er mit dem Gymnasium weitermachen kann. Der Junge mit den dunklen Haaren und noch dunkleren Augen ist anders als seine MitschülerInnen: er ist älter, Zeit zum nichts tun und abhängen hat er nicht. „Die Schule war fucking hart“. Ans Aufgeben denkt Osama nicht, seine Vergangenheit definiert ihn nicht. Mittlerweile hat er die Matura in der Hand.


Leicht sein, unbeschwert, so wie die anderen: das geht zwar nicht in der Schule, aber auf dem Skateboard. 2018 kommt Osama über die Organisation Skaid, die kostenlose Kurse für Kinder und Jugendliche gibt, zum Skaten. „Da hab ich viele Leute mit coolen Geschichten und verschiedensten Migrationshintergründen kennen gelernt.“ Auch wenn Osamas Augen leuchten, als er von seiner Leidenschaft erzählt, einfach war es anfangs nicht: Osama braucht länger als die anderen, muss viel üben. Aber das ist egal, denn hier geht es um den Spaß, die Community, den sozialen Aspekt: „Jede und jeder ist auf seine Art besonders, das mag ich.“ Es ist ein Safe Space, in dem Freundschaften entstehen, Alltagssorgen vergehen und man einander ohne Vorurteile zuhört.

Jede und jeder ist auf seine Art besonders, das mag ich.
– Osama


Seit letztem Jahr unterrichtet Osama als Trainer selbst Kurse. Er ist stolz, nun anderen Kindern den Support zu geben, den auch er bekommen hat. Da sein, wenn jemand fällt. Zeigen, dass es sich lohnt, durchzuhalten.


Durchhaltevermögen braucht Osama auch bei seinem Berufswunsch. „Medizin ist mein Ziel.“ Nicht, weil mit diesem Beruf Prestige und ein gutes Einkommen einhergehen oder seine Eltern und jüngeren Schwestern dann beeindruckt wären. Osama ist der humanitäre Aspekt wichtig. Er will später mit einer NGO im Ausland Menschen helfen, so wie die vielen internationalen Ärzte in Syrien, an die er sich gut erinnert.

Auf dem Skateboard hat Osama einen Safe Space gefunden. Wenn er seine Runden dreht, kann er abschalten und zur Ruhe kommen.

Dass es bis dahin ein langer Weg ist, weiß der 20-Jährige. Im ersten Anlauf hat es nicht geklappt mit dem Aufnahmeverfahren zum Medizinstudium. Seit Oktober verfolgt er deshalb seinen Plan B: Pharmazie studieren. „Zu einem Ziel führen eben viele Wege. Das Studium gefällt mir so gut, vielleicht bleibe ich dabei“, lautet sein Fazit nach dem ersten Semester. Hauptsache, er kann später in die Forschung und so einen Beitrag leisten.


Leicht werden wird es nicht, das weiß Osama. Sein Ziel hat er wie immer klar vor Augen. Die Vergangenheit hat gezeigt: Pläne ändern sich, durchhalten lohnt sich.

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