Lilly

Text: Leonie Werus

Foto: Max Schorch

Innsbruck, September 2024 

Sie ist eine Athletin, die Grenzen überwindet: Lilly Kranebitter zeigt, dass Leidenschaft und Hingabe keine Behinderung kennen. Mit ihren Zielen vor Augen schwimmt, springt und läuft sie sich frei von Vorurteilen.


Im Wasser werden alle nass. Das war schon immer so, und wird auch immer so bleiben. Es spielt keine Rolle, ob man gemütlich herumplanscht, oder zügig Längen schwimmt. Ob man ohne, oder mit einer Behinderung lebt. Lilly tut das – sie ist 20 Jahre alt und kam mit Trisomie 21 zur Welt. Letzteres tut aber nichts zur Sache, wenn Lilly in ihrem Element ist. Das Schwimmen ist ihre Passion, genauso wie die Leichtathletik. Seit sie sich erinnern kann, lässt sie den Alltag im Schwimmbecken und auf der Laufbahn hinter sich. Der sportliche Ehrgeiz liegt in der Familie – Lillys Vater war selbst Leichtathlet und ist heute ihr Coach. Nicht ihr einziger zwar – Lilly trainiert dreimal pro Woche im Verein -, aber eben doch eine wichtige Bezugsperson und ein großes Vorbild. Medaillen und Pokale zeugen von Lillys sportlichen Erfolgen, von den zahlreichen Wettbewerben und Meistertiteln, die sie in der Vergangenheit bereits gewonnen hat.

Unter Wasser gibt es keine Unterschiede, da ist es egal, dass ich das Downsyndrom habe.

Gold, Silber und Bronze sind zwar schön anzusehen, doch in erster Linie ist es die Gemeinschaft beim Sport, die Lilly antreibt. Zusammen mit Gleichgesinnten zu trainieren, sich auszutauschen über die gemeinsame Leidenschaft, lässt sie stärker werden. Stark ist Lilly übrigens nicht nur im übertragenen Sinn, spätestens, seitdem sie auch noch boxen geht. Aufregung bei einem Wettkampf wird höchstens kurz vor dem Start spürbar – sobald sie ins Wasser taucht, fühlt sich Lilly frei: „Unter Wasser gibt es keine Unterschiede, da ist es egal, dass ich das Downsyndrom habe.“ Das sollte es zwar in jeder anderen Situation auch sein, die Realität sieht allerdings nach wie vor oft anders aus. Viele Menschen begegnen Lilly mit Vorurteilen, wissen nicht, wie sie mit ihr umgehen sollen beim ersten Treffen. „Manchmal wäre es mir lieber, ohne Downsyndrom zu leben. Aber das kann man sich halt nicht aussuchen, und so mache ich einfach das Beste daraus.“

Drei Mal in der Woche trainiert Lilly im Verein. Ihr Traum: einmal bei den Paralympics teilnehmen.

Soweit möglich, führt Lilly ein selbstständiges Leben, möchte ein Vorbild sein für andere junge Menschen und arbeitet im Aufbauwerk immer dort, wo sie gebraucht wird. Dass sie anstelle eines regulären Gehalts lediglich ein Taschengeld bezieht, kann Lilly nicht nachvollziehen, schließlich ist ihre Arbeit gleich viel wert wie die eines jeden anderen. Davon lässt sie sich aber nicht unterkriegen, und schmiedet indes Pläne für die Zukunft. Der Sport soll weiterhin ein Hobby bleiben und vor allem Spaß machen. Trotzdem: einmal bei den Paralympics teilzunehmen, das wäre doch ganz nett – und durchaus realistisch, so ist Lilly überzeugt. Am liebsten verbringt sie Zeit mit ihrer Familie, die immer hinter ihr steht, wie sie betont. Feiert Partys mit ihren Brüdern, mit Essen und Trinken, guter Stimmung und ganz viel Musik. Dann schließt Lilly die Augen, bewegt sich zum Rhythmus der Musik und stellt sich vor, wie sie bei den Olympischen Spielen die Ziellinie überquert, angefeuert von ihren Liebsten. Oder träumt davon, wie sie – und wir alle – hoffentlich eines Tages in einer Gesellschaft leben, in der die Offenheit allen Vorurteilen dieser Welt ganz einfach davonläuft.

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