Simone
Text: Lisa Prantl
Foto: Emanuel Kaser
Innsbruck, Mai 2023
In ihrem Kinderzimmer in Portugal hört Simone vor neun Jahren, als 16-jährige, ein Radiohead Cover des Tiroler Musikers Lars Andersson und schreibt ihm. Zweieinhalb Jahre und unzählige E-Mails und Telefonate später zieht sie nach Innsbruck, um der Beziehung eine Chance zu geben. Ohne die Stadt jemals vorher zu besuchen. Die Grafikdesignerin liebt Konzerte, den Flohmarkt und Patti Smith. Sie träumt davon, als Illustratorin in Tirol und Portugal zu leben.
Samstags läutet der Wecker bei Simone besonders früh. Oft macht sie sich schon um sechs Uhr morgens auf den Weg zum Flohmarkt beim Innsbrucker Tivoli Stadion. Sie liebt alte Dinge, die Geschichte haben und trägt zu 90 % Second-Hand-Kleidung vom Flohmarkt. Ein bisschen zuhause fühlt sie sich dort inzwischen auch: „Ich mag es, immer wieder die gleichen Gesichter zu sehen und zu beobachten, wie die Menschen miteinander interagieren. Ich kenne alle dort, und alle ihre Hunde auch. Es ist ein bisschen wie Familie.“ Etwas Besonderes für Simone, die inzwischen so weit weg von ihrer Familie lebt.
Als sie ihren Freund Lars bei einem Musikfestival in Porto zum ersten Mal „in echt“ traf, war die Aufregung riesig, aber die Chemie stimmte. Als die Portugiesin wenig später mit der Schule fertig wird, nimmt sie allen Mut zusammen und beschließt, nach Innsbruck zu ziehen. Simone sucht sich einen Job und mietet sich allein eine Wohnung: „Ich war noch so jung, ich wollte selbstständig sein und alles mit Ruhe machen“. Seither hat sie sich in Tirol ihr Leben aufgebaut: Freunde gefunden, eine Ausbildung absolviert, unzählige Konzerte besucht und ihre Lieblingsorte in der Stadt für sich entdeckt.
Trotz ihrer großen Liebe zur Musik zog es sie selbst nie auf die Bühne. „Als Kind wollte ich natürlich Rockstar werden, aber ich bin viel zu schüchtern“, erzählt Simone, die heute auf vielfältige Weise ihre Kreativität auslebt. Sie schreibt Gedichte, illustriert, fotografiert und kreiert Sounds am Synthesizer. An ihren Träumen arbeitet sie hart. Um sich ihre Ausbildung zur Grafikdesignerin leisten zu können, verbringt die Veganerin zuerst ein Jahr in einer Burger-Küche. „Zum Glück nicht am Grill“, schmunzelt sie: „…aber es war dramatisch, sehr stressig.“
Aktuell arbeitet Simone in einer Agentur in Innsbruck, in Zukunft möchte sie mehr illustrieren und irgendwann vielleicht ihre Zeit zwischen Tirol und zuhause in Portugal aufteilen können. Die Beziehung zu ihrer Familie sei, seit sie weggezogen ist, noch stärker geworden: „Weil wir uns nicht oft sehen, schätzen wir jede Minute und erleben die Zeit ganz bewusst. Es ist genau wie mit dem Meer: Früher war es einfach immer da, jetzt vermisse ich es sehr.“ Eine der größten Ikonen der 25-jährigen ist Patti Smith: „Sie beschönigt nichts, sondern sagt die Dinge wie sie sie sieht. Außerdem bleibt sie sich treu. Das versuche ich auch“.