Julia

Text: Nico Knappe

Fotos: Bernhard Poscher

Weer

Julia kommt etwas zu spät zum vereinbarten Treffen. Nicht weil sie unstrukturiert ist – im Gegenteil – für ihren Job muss sie perfekt organisiert sein. Denn Julia recherchiert die aktuellen Lokalnachrichten und verliest sie dann live im Radio. Und wenn kurz vor der Sendung noch brandneue Informationen und Meldungen eintrudeln, baut Julia sie noch schnell in die Sendung ein. „Deswegen bin ich zu spät. Sorry tut mir echt leid!“ entschuldigt sie sich in ihrer emphatischen und gewissenhaften Art.


Die Aktualität des Radios begeistert Julia. Wir können die Dinge schneller verbreiten als alle anderen Medien. Zu wissen, dass just im Moment der Live-Aufnahme tausende die eigene Stimme hören, hat sie am Anfang ihrer einjährigen Radio-Karriere nervös gemacht. „Grobe Versprecher gab´s zum Glück noch nie, aber ein bisschen angespannt bin ich immer noch.“. Mittlerweile hat sie sich auch daran gewöhnt, dass es oft Schreckensmeldungen sind, die sie recherchieren und einsprechen muss. Verkehrsunfälle, Verbrechen, Morde. „Ich selbst bin abgehärtet“ erklärt Julia und betont, wie wichtig es ihr ist, die Nachrichtensendung immer mit einer positiven Neuigkeit abzuschließen. Reißerisch formulierte Nachrichten wird es von ihr auch nicht geben, „Ich bin manchmal übervorsichtig beim Formulieren“ gibt sie schmunzelnd zu.


Auf lange Sicht könnte es auch in Richtung Moderation gehen – „obwohl das echt schwierig ist“. Die Menschen unterhalten, zum Lachen zu bringen, ohne dass es stumpf oder eintönig wird ist eine echte Herausforderung. Grundsätzlich ist es Julia aber vor allem wichtig wieder junge Menschen für seriöse Medien zu gewinnen und außerdem dem Stigma der sogenannten Lügenpresse entgegenzuwirken. „Hinter jeder Nachricht stehen Menschen, die diese gewissenhaft aufarbeiten.“

Julia hat aber noch eine ganz andere Seite, die mit ihrem Geburtsort Weer zu tun hat. Im Nachbardorf Kolsass ist sie seit acht Jahren Mitglied in der Landjugend und organisiert seit fünf Jahren im Vereinsausschuss als Ortsleiterin Partys, Ausflüge und soziale Veranstaltungen. So finden regelmäßig Weihnachts-Kinderbetreuung, Seniorenfeiern und Glühweinausschank statt. „Wenn ich in meinem Soziologiestudium erzähle, dass ich bei der Landjugend bin, sind viele überrascht. Aber wir in Weer sind nicht so, wie das Klischee.“.

Die Anonymität der Stadt wäre nichts für mich.
– Julia

Über Freunde ist sie in den Verein gekommen und mag vor allem das soziale Miteinander. Genau das schätzt Julia auch am meisten an ihrem Heimatdorf. „Klar bin ich gerne in Innsbruck. Viele Sachen sind einfacher und spannender. Aber bei mir in Weer sind alle meine Freunde und ich bin froh über mein soziales Netz. Die Anonymität der Stadt wäre nichts für mich.“. Lachend fügt Julia hinzu, dass sie nicht ausschließen kann, vielleicht doch irgendwann für kurze Zeit in einer Stadt zu leben – zurückkommen würde sie aber auf jeden Fall.


Jetzt muss sie aber auch schon los – die Züge fahren abends seltener und morgen muss sie wieder fit sein - Radionachrichten sprechen.

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