Marlen

Text: Denise Neher

Foto: Jasmin Bachmann

Innsbruck, August 2024

Marlen Ritscher ist stark tätowiert, verdient Geld mit „OnlyFans“, studiert Soziologie und möchte später in der Obdachlosenhilfe arbeiten. Ihre Vielseitigkeit verwirrt manche.


„Einige in den sozialen Medien denken, ich bin arbeitslos“, lacht Marlen, zuckt mit den Schultern und nimmt einen großen Schluck Bier. Die 23-jährige Studentin trägt ein Spaghetti-Top in ihrer Lieblingsfarbe: Schwarz. Und das ist auch die Farbe ihrer Arme: Ihre Arme sind komplett schwarz tätowiert. Sogenannte Blackout Tattoos sind ein nicht ungefährlicher, neuer Tätowier-Trend, man sieht ihn eher selten. „Mir gefallen große Tätowierungen einfach, es passt zu mir“, erklärt Marlen.


Irritierte Blicke und Vorurteile kennt sie seit der Schulzeit. Damals sorgten vor allem ihre vielen Piercings, die sie inzwischen drastisch reduziert hat, für Stirnrunzeln. „Ich provoziere gerne. Man muss nicht der Norm entsprechen. Was ist denn überhaupt die „Norm“?“, ereifert sich Marlen und ihre dunklen Augen blitzen.

Marlen ging schon immer ihren Weg und lässt sich nicht durch Kommentare andere davon abbringen.

Freizügig

Seit 2020 hat Marlen einen OnlyFans-Account. Mehrmals pro Woche, immer dann, wenn sie Lust darauf hat, postet sie sexy Fotos. Sie sagt, sie verdiene damit ein kleines Taschengeld und das Modeln, auch mal für Tattoo-Shops, mache ihr großen Spaß. Auf TikTok hat Marlen über 50.000 Follower. Ein 1-minütiges Video, in dem sie über die Nachteile ihrer Blackout-Tattoos, über die Schmerzen und die lange Heilungszeit, spricht, wurde bislang über zwei Millionen Mal angesehen. „Sich das vorzustellen, ist verrückt. Es ist eine Riesenzahl“, meint die Schwazerin. Negative Kommentare verwundern sie, bringen sie auch manchmal zum Lachen, aber kränken sie nicht wirklich.

Ich mag es nicht, wenn mich Leute in eine Schublade stecken.

Tiefgründig

Marlen ist bald mit ihrem Studium fertig und hat schon eine grobe Vorstellung davon, wie sie ihre Tätigkeit in der Obdachloshilfe anlegen möchte. „Ich werde auf niemanden einreden, ich bin eine gute Zuhörerin. Und ich glaube auch nicht, dass ich die Welt verändern kann. Wenn ich nur einer Person helfen kann, reicht das schon.“ Marlen umgibt eine Aura des Geheimnisvollen. Für jemanden, der sie gerade erst kennenlernt, ist sie schwer einzuschätzen. Und auch wenn manche Marlen für eine Partymaus halten, gestaltet sie ihr Leben in der Kleinstadt lieber ruhig. Ihre Hobbies sind kochen, stricken und häkeln. Und sie mag vor allem eines: Toleranz.


„Ich mag es nicht, wenn mich Leute in eine Schublade stecken und deswegen werde ich bei der Sozialarbeit auch niemanden in eine Schublade stecken.“ Vielleicht ist genau das die Einstellung die man braucht, um die Welt doch ein bisschen zu verändern, denkt sich die Interviewerin und trinkt ihren Spritzer aus.

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