Ida-Sophie

Text: Leonie Werus

Fotos: Bernhard Poscher

Innsbruck

286 Kilometer und 17.070 Höhenmeter in 31 Stunden: Bewerbe wie der Transalpine Run wären für die meisten Menschen eine reine Qual, für Ida-Sophie Hegemann sind sie ihr täglich Brot. Mehr noch: Sie läuft sie gerne. Von der Kunst, die eigenen Grenzen zu überwinden, und dem Balanceakt zwischen Studium und Profisport – eine Kämpferin im Gespräch.


Rauf auf die Nordkette, und das noch vor dem Frühstück. Training für zwei bis vier Stunden, später Kraft-Workout und ein Lauf in der Ebene. Nicht selten komme es vor, dass die Leute sie für verrückt erklären. Durchaus nachvollziehbar, wenn die 25-Jährige von ihrem Trainingsalltag und ihrem Herzenssport erzählt – mit einer Leidenschaft, die wohl nur die wenigsten empfinden würden, wenn sie im Hochgebirge tausende von Höhenmetern überwinden müssten. Warum sie sich das antut? „Weil ich es liebe, an meine Limits zu gehen und zu sehen, was ich alles schaffen kann.“


Geschafft hat Ida-Sophie schon so einiges. Erfolge bei nationalen und internationalen Rennen stehen an der Tagesordnung. Zuletzt konnte sie den berüchtigten Transalpine Run, der die Alpen in acht Etappen über Trails in drei Ländern überquert, zum dritten Mal in Folge für sich entscheiden. Zum Trailrunning ist die gebürtige Deutsche durch Zufall gekommen, denn eigentlich war sie im klassischen Bahn- und Straßenlauf zuhause, der ihr heute viel zu eintönig ist.


Wie sie das schafft, stundenlang zu laufen? Hört sie dabei Podcasts? Musik? „Nicht unbedingt, in den Bergen bin ich voll auf mich fokussiert und kann so richtig abschalten.“ sagt Ida-Sophie. Zwischendurch auch mal nicht online zu sein, darauf legt sie besonderen Wert – und gehört damit in ihrer Generation wohl eindeutig zur Ausnahme: „Diese ständige Erreichbarkeit empfinde ich in unserer heutigen Gesellschaft als große Belastung. Mein Traum wäre eine Hütte mitten im Nirgendwo, fernab jeglicher Zivilisation und ohne WLAN oder Handyempfang.“ Im Idealfall ist diese Hütte auch noch selbstentworfen, denn Ida-Sophie hat gerade ihren Bachelor in Architektur abgeschlossen.

Die Natur lässt alle Probleme des Alltags unwichtig erscheinen.
– Ida-Sophie

Studium und Sport zu vereinen, war in den letzten Jahren alles andere als einfach, wie sie erzählt: „Im Normalfall bin ich bis tief in die Nacht am Schreibtisch gesessen, um alles unter einen Hut zu bringen. Natürlich ist man da auch manchmal der Außenseiter, wenn man abends noch trainieren geht, anstatt mit den anderen durch die Bars zu ziehen.“ In einer Sportstadt wie Innsbruck gebe es zwar viel Verständnis für ihre Leidenschaft, trotzdem leuchte es nur den Wenigsten ein, warum sie sich ein Studium „mit Anwesenheiten und Abgaben“ antut, wo sie doch gut von ihrem Sport leben könne. Aber alles auf eine Karte zu setzen, ist für Ida-Sophie noch nie in Frage gekommen. Zu oft hat sie erlebt, wie schnell alles vorbei sein kann: „Ein falscher Tritt, einmal umknicken – mehr braucht es nicht und ein großer Teil meines Lebens kann zu Ende sein. Das würde ich niemals riskieren ... davon abgesehen ist das Zeichnen der perfekte Ausgleich für mich.“

In ihrer Wohnung in Innsbruck hängen Erinnerungen an die letzten Siege. Doch Ida-Sophie ist schon längst in den Vorbereitungen für die nächsten Bewerbe.

Beruflich soll es nach dem Masterstudium also definitiv in die Richtung Architektur gehen – sportlich ist die Trailrunning-Weltmeisterschaft* dieses Jahr in Innsbruck das nächste Highlight. Was vor einem solchen Bewerb eigentlich auf dem Teller landet? „Vorher nichts Besonderes, Hauptsache, leicht verdaulich. Aber danach, da muss es unbedingt die große Pasta-Party sein.“


* Die World Mountain & Trail Running Championships (WMTRC) finden von 6-10 Juni in Innsbruck und Stubai statt.

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