Rahel

Text: Leonie Werus

Fotos: Jasmin Bachmann

Innsbruck, April 2023

Rahel ist Model und Medizinstudentin, ist mutig und menschenliebend. Was sie will? Der Welt ein Stückchen ihres Glücks zurückgeben. Und sei es nur ein ganz, ganz kleines.


Neun Jahre ist sie alt, als Rahel mit ihrer Familie wie so oft in den Ferien die Verwandtschaft in Äthiopien besucht. Doch diesmal wird sie krank – und das, was sie beim Doktor zu sehen bekommt, wird sie noch Jahre später in Erinnerung haben. Menschen, die sich die Behandlung nicht leisten können und weggeschickt werden. Verzweifelte Eltern, die ihre kranken Kinder wieder mit nach Hause nehmen müssen. Das mitanzusehen, ist schwer – auch für Rahels Vater, der deshalb für eine Mutter und ihre kranke Tochter die Rechnung begleicht. Dass die beiden Kinder zur gleichen Zeit beim Doktor sind, sei ganz einfach Schicksal, ist die Mutter des Mädchens überzeugt. Sie drückt Rahels Hand und flüstert ihr zu: „Du, mein Mädchen, wirst es noch ganz weit bringen.“


Etwas zurückgeben

Warum diese Geschichte an dieser Stelle geschrieben steht? Weil sie dafür verantwortlich ist, wo Rahel heute ist. Mit ihren 25 Jahren studiert sie Medizin im zweiten Jahr, nachdem das Biologiestudium Welten entfernt gewesen war von dem, was sie eigentlich möchte: Menschen helfen – und zwar als Kinderärztin im Krankenhaus oder in Entwicklungsländern für Ärzte ohne Grenzen. Warum das Ganze? „Meine Eltern hatten nicht die Chance zu studieren. Ich hingegen bin in eine Welt geboren, in der ich alle möglichen Privilegien genieße. Da möchte ich einfach etwas zurückgeben“, erzählt Rahel, die fürs Studium von Vorarlberg nach Innsbruck gezogen ist. Auf ihre äthiopischen Wurzeln ist sie stolz, ihre dortige Verwandtschaft besucht sie nach wie vor regelmäßig. Dass Afrika mehr ist als ein riesiger, einheitlicher Kontinent – mit staubiger Wüste, Tipis und Strohhütten, das ist ihr wichtig zu vermitteln: „Natürlich gibt es diese Regionen. Aber gleichzeitig sind da auch die großen Städte, wie die Hauptstadt Addis Abeba, wo meine Familie lebt, mit Wolkenkratzern und Millionen-Bevölkerung. Dort fühlst du dich wie in New York.“

Das Modeln war für Rahel anfangs nur ein netter Nebenverdienst, mittlerweile mache es Rahel auch ziemlich viel Spaß und Freude.

Was wirklich wichtig ist im Leben

Wenn Rahel nicht gerade für ihre Prüfungen lernt, schreibt sie Kurzgeschichten oder steht vor der Kamera – für nicht gerade unbekannte Marken wie Adidas. Und das, obwohl sie als Kind alles dafür getan hat, nicht herauszustechen – bis ihr klar wurde, dass sie das tut, egal ob sie will, oder nicht. Was als netter Nebenverdienst begann, ist heute zu etwas geworden, das ihr ganz einfach Spaß macht. Sorgen bereiten ihr hingegen Themen wie Black Lives Matter, oder die Flüchtlingssituation, deren Auswirkungen Rahel bei ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr im Flüchtlingsheim hautnah miterlebt hat: „In solchen Momenten merkst du, wie du die meisten Dinge als selbstverständlich siehst. Was wirklich zählt ist im Leben. Und, dass du dich selbst manchmal vielleicht nicht ganz so wichtig nehmen solltest.“

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